Vielfalt in Unternehmen fördern – durch Kommunikation?

 

Mit dem heutigen Deutschen Diversity-Tag feiert die Charta der Vielfalt bereits zum zehnten Mal die Vielfalt der Arbeitswelt. Denn Vielfalt am Arbeitsplatz hat viele Vorteile: Wenn Diversität gefördert und gelebt wird, können der Fachkräftemangel ausgeglichen und neue Zielgruppen und Märkte erschlossen werden. Davon abgesehen ist es schlicht und einfach fair, Menschen aus unterschiedlichen Gruppen mit verschiedenem Hintergrund eine Chance zu bieten und niemanden aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit auszuschließen.

Doch nicht nur das: Auch Diversität und Innovation hängen zusammen – zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Boston Consulting Group und der Technischen Universität München. Dabei wurden mehr als 1.700 Unternehmen in acht Ländern (den USA, Frankreich, Deutschland, China, Brasilien, Indien, der Schweiz und Österreich) befragt. Mit dem Ergebnis: Je diverser die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens, desto höher der Anteil des Umsatzes mit neuen und innovativen Produkten.

Für Unternehmen stellt sich nun die Frage, wie sie durch ihre Kommunikation zum einen ihren Diversitätsgrad authentisch darstellen und zum anderen durch kommunikative Maßnahmen Diversität weiter fördern. Denn Unternehmen können einen bedeutenden Teil zu mehr Diversität in unserer Gesellschaft beitragen. Eine besondere Chance bietet dabei die interne Kommunikation: Betriebe können das Bewusstsein ihrer Belegschaft für Diversität fördern, ihre Motivation erhöhen und somit sicherstellen, dass Vielfalt auch in der Unternehmenskultur ankommt und gelebt wird, und nicht bei der Einstellungspolitik endet. Aber wie gelingt das?

Was bedeutet für uns Vielfalt?

Zunächst muss jedes Unternehmen für sich Diversität definieren. Dafür sind zum Beispiel die sieben Kern-Dimensionen der Charta der Vielfalt hilfreich: Alter, Ethnische Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung sowie soziale Herkunft. Diese Dimensionen sollten immer beachtet werden – daneben gibt es aber auch weitere Kategorien, wie zum Beispiel Einkommen, Berufserfahrung, Familienstand oder Elternschaft

Bevor ein Konzept für die Kommunikation entwickelt wird, sollte eine Bestandsaufnahme gemacht werden: Wie divers sind wir als Unternehmen? Wie sieht das die Führungsebene, wie die Belegschaft? Insbesondere die Meinung der Mitarbeiter:innen spielt eine große Rolle. Mittels einer anonymen Mitarbeiterbefragung können die Meinungen der Belegschaft erhoben werden; wichtig ist dabei zum Beispiel die Frage „Können Sie im Unternehmen / in Ihrem Team Sie selbst sein?“ Bei den Kerndimensionen ist es außerdem wichtig zu erfahren, ob die Mitarbeiter:innen unabhängig von zum Beispiel Herkunft oder Geschlecht fair behandelt werden. Die Daten sollten dann – soweit möglich – nach Unternehmensbereichen gegliedert ausgewertet werden. Dadurch zeigt sich, ob es in speziellen Bereichen der Vielfalt oder in einzelnen Abteilungen des Unternehmens Verbesserungsbedarf gibt.

Wer spricht für das Unternehmen?

Wenn die Diversität für das Unternehmen definiert, die Meinungen der Mitarbeiter:innen eingeholt und Ziele für die Kommunikation definiert wurden, ist der nächste Schritt, ein ganzheitliches Kommunikationskonzept für Vielfalt zu entwickeln. Es lohnt sich, dafür die gesamte Kommunikation unter die Lupe zu nehmen; denn in der Art und Weise, wie ein Unternehmen kommuniziert, spiegelt sich auch die Einstellung gegenüber Diversität wider – nach innen und nach außen. Das zeigen zum einen die Auswahl der Zitatgeber und Kommunikatoren, aber auch die Bildwelten: Kommen in der internen Kommunikation auch Frauen zu Wort? Tauchen Mitarbeiter:innen mit körperlichen Einschränkungen als Kommunikatoren auf, und auch ältere Mitarbeiter:innen sowie Mitarbeiter:innen, die aus anderen Ländern stammen? Spiegeln die in der Kommunikation verwendeten Fotos und Bewegtbilder die Diversität der Belegschaft wider? Hier gibt es wichtige Kriterien, die die Kommunikationsabteilung im Hinterkopf behalten sollte.

Auch die Art der Kommunikation muss durchdacht und einheitlich sein – das betrifft etwa die unterschiedlichen Varianten des Genderns. Darüber hinaus lohnt es sich, ein Dossier mit Kernaussagen sowie Dos und Don‘ts zu definieren, um Fallstricke zu vermeiden und für eine einheitliche Kommunikation zu sorgen.

Top-Management involvieren

In der internen Kommunikation können die Vorteile von Diversität für das Unternehmen und die Belegschaft vermittelt werden. Gleichzeitig können Mitarbeiter:innen motiviert und Vorurteile abgebaut werden. Ein Team der Universität Wien hat von 2020 bis 2021 ein Forschungsprojekt durchgeführt, bei dem mehr als 1.000 Arbeitnehmer:innen in Deutschland und Österreich ausführlich interviewt wurden. Die Forscher kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Bemühung für mehr Diversität unbedingt vom Topmanagement unterstützt werden sollte: Die Vorgesetzten müssen als Vorbilder agieren. In der Kommunikation heißt das zum Beispiel, dass sie sich zu den Themen beispielsweise in Videointerviews oder Briefen (beziehungsweise E-Mails) an die Mitarbeiter:innen richten. Natürlich ist es wichtig, dass die Führungskräfte auch in ihrem Arbeitsalltag entsprechend einen inklusiven Führungsstil pflegen, damit die Kommunikation auch glaubwürdig ist – unter Umständen sollten sie dafür geschult werden.

Das Wichtigste? Authentisch bleiben

Generell empfiehlt es sich, dass die internen Kommunikationsmaßnahmen den aktuellen Stand der Inklusion innerhalb des Unternehmens im Blick behalten und authentisch bleiben. Wenn die Mitarbeiterbefragung ergibt, dass die Belegschaft mit der Diversität sehr unzufrieden ist, muss das in die Kommunikation miteinbezogen werden. Die Kommunikation muss für die Mitarbeiter:innen glaubwürdig sein – nur dann motiviert es sie auch, sich für mehr Vielfalt am Arbeitsplatz einzusetzen.

Besonders wichtig ist hier die persönliche Kommunikation: vor allem Schulungen, Workshops und Team-Meetings bieten sich als Rahmen für eine direkte Kommunikation an. Diese Formate wirken sich stärker auf das Inklusionsgefühl aus als zum Beispiel die Kommunikation über Intranetartikel, Videos und Podcasts – obwohl diese natürlich auch ihren Platz in der Kommunikation haben.

HR-Maßnahmen kommunikativ begleiten

Zum Diversity-Tag bietet die Charta der Vielfalt viele Anregungen, um den Mitarbeiter:innen das Thema Diversität näherzubringen. Zum Beispiel können sie beim Online-Wissensspiel ihr Wissen testen, in Gruppen ihre Gedanken zu Diversität teilen, in einer Online-Lektion mit interaktiven Formaten Neues lernen oder mit einem Kartenspiel Gegenargumente gegen 20 „Bullshit-Sprüche“ formulieren. Die direkte Kommunikation in kleinen Gruppen spielt hier also eine wichtige Rolle.

Alle diese Maßnahmen können und sollten allerdings auch medial kommunikativ begleitet werden – zum Beispiel durch Videointerviews, in denen Mitarbeiter:innen ihre Erwartungen oder Erfahrungen zum Diversity-Tag teilen. In Intranetartikeln kann vermittelt werden, welche Erfolge das Unternehmen im Bereich Diversität schon erreichen konnte. Ein Aufruf an die Mitarbeiter:innen, ihre Wünsche in Bezug auf die Diversität im Unternehmen zu äußern, kann ebenfalls eingebettet werden. Eine Videobotschaft aus dem Topmanagement an die Mitarbeiter:innen sorgt für mehr Identifikation mit dem Unternehmen und vermittelt die Bedeutung des Themas in der direkten Ansprache. Es gibt also viele Möglichkeiten, Aktionstage wie den Diversity-Tag zu begleiten. Das allein reicht aber nicht aus – in der internen Kommunikation sollte Vielfalt ein fester Bestandteil sein, zum Beispiel auch durch regelmäßige Formate.

„White Male Backlash“

Im besten Fall sollte das ganze Team motiviert werden, zu mehr Diversität beizutragen. Besonders einige Mitarbeiter:innen, die keine oder wenige Diversitätsmerkmale aufweisen, fühlen sich jedoch gelegentlich durch Maßnahmen für mehr Vielfalt im Unternehmen benachteiligt. Dieses Phänomen ist auch unter dem Namen „White Male Backlash“ bekannt. In der Studie der Boston Consulting Group und der Technischen Universität München äußerte über die Hälfte der Befragten, dass sie keinen Bedarf an integrativen Maßnahmen sehen – hauptsächlich waren das weiße Männer und Frauen. Menschen, die hingegen mehrere Diversitätsmerkmale aufweisen, nahmen dasselbe Arbeitsumfeld ganz anders wahr, fühlten sich häufig ausgegrenzt und wünschten sich vermehrt offizielle und formelle Kommunikation zum Thema.

Kommunikation zum Thema Vielfalt in Unternehmen hat also auch Konfliktpotential und muss sehr feinfühlig angegangen werden, damit alle an einem Strang ziehen. Dennoch zeigt sich insgesamt: Diversität ist für den langfristigen Erfolg des Unternehmens wichtig und trägt zu einer inklusiven und innovativen Arbeitsweise bei. Der Bereich der internen Kommunikation wird dabei häufig noch benachteiligt, nimmt aber in Zeiten des wachsenden gesellschaftlichen Bewusstseins und des Fachkräftemangels an Bedeutung zu. Gerade die jüngere Generation legt mehr Wert auf Maßnahmen für Diversität am Arbeitsplatz.

Fazit: Kommunikationsabteilungen und Agenturen sollten also berücksichtigen, dass Vielfalt als Thema in der internen Kommunikation immer wichtiger wird und durchdachte Kommunikationskonzepte gefragt sind.